Sieger der Herzen

Von den vielen Schulterklopfern hatten sie wahrscheinlich blaue Flecken, bei den aufmunternden Worten während der Siegerehrung stellten sie ihre Ohren auf Durchzug. Und selbst das Bier hatte einen bitteren Beigeschmack. Es sollte diesmal einfach nicht sein. Der FC Kremmen musste im dritten Kreispokalfinale nach 2010 und 2014 erstmals eine Niederlage verkraften. Bei der unglücklichen 1:2 (0:1)-Niederlage gegen Kreisoberliga-Tabellenführer BSC Fortuna Glienicke sahen viele der 779 Zuschauer den FCK als „Sieger der Herzen“.

Diesem Trost konnten die Kremmener zunächst nichts abgewinnen. Zu groß war die Enttäschung. Dennoch mischte sich später in die Gefühlswelt der Schwarz-Weißen die Gewissheit, dass man sich gegen den Favoriten mehr als achtbar aus der Affäre gezogen hatte. Und das mit einer Mannschaft, die aufgrund diverser Ausfälle bereits „dem Saisonende entgegen lechzte“, wie es Trainer Falk Franke im Vorfeld des Endspiel formulierte. Neben den verletzten Schlüsselspielern Christoph Turkoska, David Braun musste er auch auf seinen besten Torjäger, Marc Kaiser verzichten, der am Finaltag in den seit Monaten geplanten Urlaub flog. Zudem war Mark Lindemann – seit Wochen in blendender Form als Innenverteidiger – mit einer Gehirnerschütterung quasi nicht einsatzfähig und saß 90 Minuten auf der Bank.

Mit zwei überragenden Paraden war FCK-Keeper Mike Koger in den entscheidenden Momenten zur Stelle (Fotos: Oranienburger Generalanzeiger / Steffen Kretschmer).

Kremmen hatte also nichts zu verlieren und schien sich in dieser Rolle – so sollte es der Spielverlauf zeigen – durchaus wohlzufühlen. Coach Franke, der auch in der kommenden Saison auf der Trainerbank des FCK sitzen wird (wir berichteten), hatte seinem Team natürlich einen Plan mit auf den Weg gegeben. Die Devise: So lange wie möglich die Null halten und hinten raus vielleicht dem Gegner den entscheidenden Stoß per Konter versetzen. Der ersten Teil ging leider – wie schon im Punktspiel vor zwei Wochen – in die Hose. Gleich mit der ersten Torchance schossen sich die Fortunen in Führung. Nach einem Freistoß von BSC-Kapitän Axel Wilke sprang Goalgetter Pascal Müller mit hohem Bein zum Ball und bugsierte den Ball über FCK-Keeper Mike Koger zum 0:1 in die Maschen. Die Kremmener Bank protestierte vehement gegen die Gültigkeit des Tores.

Der zum Kopfball hochgestiegene Nick Neumeier sei durch die Fußhaltung von Müller in Verletzungsgefahr gebracht worden. Diese Auffassung war durchaus stimmig, doch dieser Auffassung folgte Schiedsrichter Kay Howaldt nicht. Es sollte die einzige wichtige Szene der ersten Halbzeit sein. Denn wer auf eine feuriges Pokalfinale hoffte, mit rassigen Richtungswechseln von Tor zu Tor, vielen Strafraumszenen und Tormöglichkeiten, bekam ein äußerst lahmes Spiel aufgetischt. Während die Kremmener ein sicheres Stellungsspiel zeigten, viel abfingen, aber sich nach vorne wenig zutrauten, wirkte Glienicke sehr passiv und pomadig in seinen Aktionen. „Untereinander haben wir die Verantwortung nur abgeschoben. Wir haben uns nur hinten rein gestellt. Uns hat die Courage gefehlt“, kritisierte auch Glienickes Übungsleiter Sascha Flemming in der Pressekonferenz.

Die Elfmeterszene vor dem 0:2. Philipp Kadow (vorn mittig in schwarz-gelb) wird von Nick Neumeier (links) und Alexandre Song zu Boden gebracht.

Das Geschehen kleckerte also mehr oder weniger dahin. Beide Teams riskierten wenig geschweige denn suchten engagierte den Weg zum Tor. Patrick Breyers Schuss von der Strafraumgrenze (20., FCK, Torsten Wiese im Nachfassen) sowie die Direktabnahme von Pascal Müller nach einem Befreiungsschlag (32., zwei Meter rüber) mussten schon als Highlights herhalten. Dass dieses reine Abtasten zeitlich begrenzt war, dürfte allen Beteiligten klar gewesen sein. In den ersten 10 Minuten nach der Pause ließen dann der BSC den Druck aufblitzen, den man von ihm eigentlich viel öfter erwartet hatte. Wilke & Co. erzwangen nun eine Reihe von Standards, bei denen der FCK zweimal höllisch aufpassten musste. Dank Koger herausragender Rettungstaten ging das für die Kremmener glimpflich aus. Erst schmiss er sich aufmerksam in einen Wilke-Freistoß aus knapp 20 Metern (51.).

Ronny Hecht beackerte zuverlässig die rechte Abwehrseite und ließ sich auch von Zwischenrufen der Glienicker Fans nicht aus dem Konzept bringen.

Bei der darauf folgenden Ecke semmelte Marcel Bubner aus wenigen Metern aufs Tor, doch Koger parierte weltklasse (51.). So schnell wie die Glienicker Herrlichkeit begann, verschwand sie aber auch wieder. Und wie. Verblüffend, wie schnell sich die Akkus der Schwarz-Gelben in der Folgen entluden. Kremmen riss das Spiel spätestens ab der 60. Minute und der Einwechslung von Mark Eichblatt, der für ordentlich Schwung sorgte, immer mehr an sich. Glienicke schaffte es aber aus keiner Chance, die sie ab der 55. Minute im zweiten Durchgang erspielten, trotzdem noch einen Treffer zu erzielen. Wilkes Kopfball-Bogenlampe im Anschluss an einem Bubner-Freistoß landete bei Philipp Kadow, der erst durch Neumeier ins Straucheln kam und dann von Alexandre Song gefällt wurde. Howaldt entschied wohl zurecht auf Elfmeter, den Kapitän Wilke verwandelte (70.).

Was in den letzten 20 Minuten passierte, kann als Sturmlauf des FCK bezeichnet werden, die nun ungeahnte konditionelle Schwächen des Gegner aufdeckte. Kremmen kam nun immer wieder mit Tempo durchs Mittelfeld und von Außen in der Strafraum hinein. Glienicke lief nur noch hinterher und wankte mächtig. Nur drei Minuten nach dem 0:2 waren die Kremmener wieder dran. Nach einer Ecke von Max Rossow wurde Song vom eingewechselten Song beim Kopfballversuch klar umgestoßen. Am erneuten Strafstoßpfiff von Howaldt war diesmal nicht zu rütteln. Breyer verlud Wiese und verkürzte auf 1:2 (73.). Nur eine Minute später erkämpfte Ronny Hecht Ball und Konter, den Kevin Nickel mit einem Steilpass auf Breyer aufzog. Der Youngster ließ Breitschafter stehen und gab den Ball nach Innen, wo Niclas Köpke im Rutschen die Riesenchance vergab (74.).

In dieser Szene wird Stefan Schiprowski von Glienickes Kevin Kummer kurz vor Schluss mit einer gesundheitsgefährdenden Grätsche umgetreten. Dass Schiri Kay Howaldt nur Gelb zeigte, sorgte bei den Kremmenern für Entsetzen.

Song prüfte anschließend Wiese mit einem Flachschuss (76.), bevor Breyer noch eine dicke Ausgleichschance nicht nutzte. Im Doppelpass mit Köpke nach einem vom Eichblatt abgefangenen Abstoß setzte sich Breyer ideal in Schussposition. Freistehend rutsche ihm der Schuss aber leicht ab und die Chance war dahin (77.). Nach schnellem Umschalten zog Köpke kurz vor Schluss nochmal in Robben-Manier nach Innen, um mit seinem starken Linken die lange Ecke von der Strafraumgrenze nur um Zentimeter zu verfehlen (86.). Beim FCK regierte nach Abpfiff der Frust, bei der Fortuna der Jubel. Am Ende entwickelte sich die Szenerie also doch noch zu einem Krimi. Leider mit dem unglücklichen Ausgang für die Franke-Schützlinge. Zwar holten sie sich bei der Siegerehrung auch noch eine Trophäe für die Finalteilnahme ab. Als wahren Verdienst nahm der FCK aber den Respekt und Stolz über eine insgesamt beachtliche Leistung mit.

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Sportbuzzer-Artikel zum Finale inkl. Stimmen

FCK: Koger – Reiter (88. Böttcher), Schiprowski, Hecht, Rossow, Neumeier, Song, Nickel (84. Jopp), Kevin Hergt (66. Eichblatt), Köpke, Breyer