Groundhopper „Bötte“ auf Achse in Europa

Das Vicente Calderón stand ganz oben auf der Agenda. Einmal den maroden Charme des altehrwürdigen und inzwischen ziemlich heruntergekommenen Stadions von Atlético Madrid zu erleben, war ein ganz besonderer Wunsch von Marius Böttcher, der in seinem Leben schon viele Fußballstadien von innen gesehen hat. „Madrid war schon sehr speziell“, sagt er trotzdem.

Als Bayer Leverkusen sich dort im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League an der Abwehr der Rojiblancos die Zähne ausbiss, erfüllte sich der 23-jährige Kremmener den lang gehegten Traum vom Besuch im Vicente Calderón. Endlich einmal im Hexenkessel am Manzanares-Strom, unter dessen Haupttribüne sich die Stadtautobahn windet. „Im Sommer zieht Atlético ja in eine neue Arena um, vorher wollte ich da unbedingt noch hin. Jetzt kann ich einen Haken dahinter machen.“ Das legendäre Estadio Vicente Calderón soll dann abgerissen werden.

Ob allein oder mit Freunden – wenn sich zwischen Studium und Job ein paar freie Tage bieten und auch das nötige Kleingeld wieder angespart ist, geht Marius Böttcher auf Reisen. „In den Semesterferien bietet sich das ja an, wenn ich ein bisschen Geld dafür beiseitegelegt habe“, sagt der Lehramtsstudent von der Uni Potsdam. Dabei tritt der Linksfuß für den FC Kremmen auch noch selbst gegen den Ball, trainiert im Verein eine Jugendmannschaft und amtiert als Schiedsrichter. „Aber jede freie Minute wird fürs Fußballschauen genutzt.“

Mittendrin statt nur dabei im Nou Camp von Barcelona.

In sieben Länder hat ihn seine Fußball-Leidenschaft schon geführt. Der jüngste Höhepunkt in der spanischen Hauptstadt, die er zusammen mit Vater Christian und seinem früheren Mitspieler Jochen Malinowski (jetzt Eintracht Bötzow) besuchte, reiht sich da nahtlos ein in die Reihe der Erinnerungen, zu denen auch ein Spiel im alten Wiener Gerhard-Hanappi-Stadion gehört. „Das war im August 2012, als ich dort ein Testspiel zwischen Rapid Wien und dem FC Valencia gesehen habe“, sagt Marius Böttcher. Die legendäre Heimstätte des österreichischen Hauptstadtclubs ist längst einer modernen Arena gewichen.

Im Stadion Ďolíček bei den Bohemians Prag.

Auch England steht hoch im Kurs beim Groundhopper aus Oberhavel. „Da habe ich schon Spiele von der ersten bis zur vierten Liga gesehen“, sagt der Fan des FC Liverpool, der deshalb auch eine Partie der Reds im Emirates-Stadium des FC Arsenal zu den persönlichen Highlights zählt. Nur eine Woche vor dem Abstecher nach Madrid war er mit den Freunden Danilo Pressmann und Edgar Kordecki (beide beim TuS Sachsenhausen in der Brandenburgliga aktiv) wieder in London – diesmal bei den Queens Park Rangers.

Auch die Premier League in England darf in der Sammlung natürlich nicht fehlen. Hier bei den Queens Park Rangers mit Danilo Pressmann und Edgar Kordecki, beide Spieler beim Brandenbugligisten TuS 1896 Sachsenhausen.

„Ich suche oft zuerst nach günstigen Flügen“, erklärt Böttcher die Wahl der Reiseziele. „Dann frage ich einfach in die Runde, wer mich begleiten möchte“, sagt er. „Aber ich würde die Touren auch allein machen. Oder ich verbinde die Fußballspiele mit einem Kurzurlaub mit meiner Mutter, die sich selbst auch dafür begeistern kann.“ Sie musste im vorigen Jahr zu Hause bleiben, als ihr Sohn mit Kumpel Justus Goebel (spielt beim 1. SV Oberkrämer) die 850 Kilometer bis nach Lille bewältigte, um dort den EM-Auftakt der deutschen Nationalmannschaft gegen die Ukraine (2:0) live im Stadion zu verfolgen.

Unterwegs mit Kumpel Justus Goebel (links) während der EM 2016 im französischen Lille.

Stoppen kann den Groundhopper nur höhere Gewalt. Etwa als er kürzlich nach Zürich wollte, um dort die Grasshopper in der Schweizer Super League zu sehen. „Da wurde am Flughafen gestreikt“, erklärt Marius Böttcher. Der Flieger hob nicht ab, die Tour aber soll bald nachgeholt werden. Ab und zu passt mal ein Spiel von Hertha BSC dazwischen. „Das ist halt der Verein, an dem ich hänge“, sagt er. Hin und wieder begleitet er die „Alte Dame“ auch bei Auswärtsspielen. „So bin ich in deutschen Stadien schon viel herumgekommen.“

Lieber sind ihm aber die Erlebnisse außerhalb des Heimatlandes. Kopenhagen, Barcelona, Prag – die Liste der Metropolen, in denen der Kremmener schon Fußballspiele besuchte, ist lang und wird immer länger. Die Eintrittskarten hängen feinsäuberlich aufgereiht an der Pinnwand in der Studentenbude. Auf der wird der Platz bald knapp. Und trotzdem hat Marius Böttcher noch viele Wunschziele.

Das „Stadium Municipal“ in Toulouse darf es noch in diesem Jahr sein, das König-Baudouin-Stadion in Brüssel und das „Stadio Atleti Azzurri d’Italia“ in Bergamo sollen folgen. Und irgendwann auch das Stadion der Freundschaft in Gera. Nicht die ganz große Fußballbühne. Dort trägt der Oberligist BSG Wismut seine Heimspiele aus. „Die Wismut-Fans haben gute Kontakte zum FC Kremmen, sie haben uns sogar bei unserem Hallenmasters unterstützt“, so Marius Böttcher. Da sei ein Gegenbesuch bald mal fällig, sagt der Groundhopper.

Text: MAZ Sportbuzzer